Zusammenstoß - 12.07- etwas nach 22 Uhr

"Gute Nacht, Mademoiselle..", erwiderte Lionel höflich und nickte ihr zu.
Während sie das kurze Stück zum hell erleuchteten Eingang der Herberge zurücklegte, ruhte sein Blick auf ihrem schmalen Rücken, dann entschwand seine Tochter durch die Türe, die sich beinahe sofort hinter ihr schloss und den breiten Strahl goldenen Lichts, der bisher auf die Straße gefallen war, versiegen ließ.
Lionel macht das nichts, er sah im Dunkeln genauso gut wie bei Licht, seine Augen glichen in dieser Hinsicht denen einer Katze.
Für einen Moment noch blieb er stehen, vor Augen noch das Bild seiner Tochter, Innas Tochter, die ihrer Mutter so ähnelte. Diese Ähnlichkeit zwischen den beiden, die festzustellen außer ihm wohl niemand im Stande sein dürfte, denn Adriennes Bild von Inna existierte wohl nach siebzehn Jahren nur noch verschwommen, war überaus praktisch. Würde sie ihm gleichen, dann hätten flüchtige Beobachter oder gar Natalja selbst bestimmt aufgemerkt und wären der Sache auf den Grund gegangen. So jedoch konnte er den Zeitpunkt, an dem er sie über ihre wahre Herkunft informieren wollte, selbst wählen.
Geschmeidig wie ein Panther setzte Lionel sich in Bewegung, den schimmernden Lichtreflexen der Straßenlaterne auf seinem schwarzen Umhang entschwindend. Lautlos verschluckte ihn die Nacht und er entschwand den Blicken seiner Tochter.

Fast fühlte sie sich ein kleines Bisschen enttäuscht, als sie ihn nicht mehr entdecken konnte.
Schließlich jedoch seufzte sie und zuckte mit den Schultern.
"Na ja...", murmelte sie und begann, sich langsam fürs Bett fertig zu machen. Dazu zündete sie die kleine Lampe an, die stets auf ihrem Nachtkästchen, gemeinsam mit Zündern, stand.
Zuerst öffnete sie ihre Frisur und schüttelte ihre Haare aus.
Danach schlüpfte sie aus ihrem Kleid und kurz dann in ihr langes Nachtgewand.
Das spärliche Licht reichte für sie ohne weiteres aus, um ohne größere Probleme ihre Kleidung und Schuhe auf beziehungsweise unter den einzelnen Stuhl zu platzieren.
Daraufhin setzte sie sich auf ihr Bett und ließ noch einige Minuten verstreichen.
Schließlich huschte sie unter die dünne Decke, blies die Kerze aus und legte sich schalfen. Wobei es in ihrem Gehirn noch arbeitete, was dazu führte, dass sie noch ihre Zeit benötigte, bis sie tatsächlich ins Traumland sank