Vampires de Paris
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Fortsetzung: Nächtliche Begegnungen ~ 13.07. ~ ab 21.30 h

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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mi Aug 27, 2008 2:27 pm

[von: Bois de Boulogne]

Natalja schien förmlich aufzuatmen, als sie den Park hinter sich ließen und in das warme Licht der Straßenlaterne vor dem Parktor hinaus auf die gepflasterte Straße traten.
Mittlerweile war die Nacht größtenteils hereingebrochen und da alle Wolken sich vom Himmel über Paris entfernt hatten, konnte man am schwarzblauen Firmament wie verstreute Diamanten auf einem dunklen Samttuch die silbernen Sterne glitzern sehen. Es war ein sehr schöner Anblick, der Lionel jedoch recht oft vergönnt war und es ihm so nicht mehr sonderlich viel Aufmerksamkeit widmete, wie ein Mensch dies beispielsweise bei dem Moment, indem die Sonne hinter Wolken hervorkam, tat.
Trotz der Abendstunde waren die Straßen noch gut besucht.
Menschen, die aus dem Theater kamen, auf den strahlenden Gesichtern noch die Emotionen, die das eben Gesehene in ihnen wachgerufen hatte, Künstler, die im Licht ihnen mitgebrachten Laternen Häuserfassaden und gegen ein geringes Entgeld Portraits zeichneten und aus mancher kleinen Gasse war die leise Melodie einer einsamen Geige, einer Mundharmonika oder einer Drehorgel zu hören. In der Luft lag der Duft von frisch Gebratenem, Fisch wie Fleisch, Süßspeisen und Wein.
Das Summen der Gespräche lag in der Luft und hüllte die beiden ein, gab ihnen das Gefühl sich zu diesem Zeitpunkt im Mittelpunkt des Pariser Lebens, des Zeitgeistes der Epoche zu befinden.
Aufgrund der sicheren und entspannten Atmosphäre verzichtete Lionel darauf, eine der Droschken anzuhalten, sondern war der Ansicht, die wenigen Straßenzüge durchaus zu Fuß zurücklegen zu können, um Natalja auf den Anblick der fröhlichen, ein wenig zügellosen Pariser Abendgesellschaft nicht verzichten zu lassen.
Die Geschäfte hatten bereits geschlossen, doch in den verglasten Schaufenstern konnte man noch immer die Auslagen bewundern, die man, sollte der Wunsch entstehen, am nächsten Morgen erstehen konnte.
Delikatessengeschäfte priesen mit dekorativen Schildern Kakao und Kaffee aus Südamerika an, ein Schmuckladen präsentierte auf gebeiztem Holz edle Perlenketten, funkelnde Juwelen aus aller Herren Länder, eingefasst in Gold und Silber. Bei dem nächsten Laden, den die beiden passierten, während Lionel Natalja von seinem Besuch in der neuen Wiener Oper erzählte, handelte es sich um einen Laden, der Bücher anbot, Romane wie Sachliteratur und, wie ein dezentes Schild mitteilte, auch gegen Bezahlung alten Folianten ein neues Gewand und neuen Glanz verlieh.
Doch von all diesen Läden weckte keiner das Interesse des passierenden Vampirs und seiner jungen Tochter.
Erst der nächste Laden schien, wie Lionel auffiel, das Interesse seiner Tochter zu wecken.
"Chez Adeline" - so verkündete das Schild und die Auslage offenbarte, dass es sich hierbei um ein Schneiderei, ein Kleidungsgeschäft handelte.
Das Fenster wurde von einer gesichtslosen Puppe dominiert, die einen wahren Traum von einem Kleid trug.
Gefertigt aus edlem, weinfarbenem Samt, das Oberteil sehr eng und schmal geschnitten, der Rock lag in schweren Falten. Die mit weißem Stoff bezogenen Schultern der Puppe waren unbedeckt und der Ausschnitt und der Saum von Ärmeln und Rock mit einem schlichten, silbernen Band abgeschlossen. Man hatte um den dünnen Hals der Schaufensterpuppe ein prachtvolles Collier aus Rubinen und Silber gelegt, das die Form von einem Blumengewinde bildete und Lionel nicht besonders zusagte.
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mi Aug 27, 2008 3:01 pm

Nun, wo sich die Tänzerin nicht mehr so sehr davor fürchtete, welche Absichten der Monsieur hinter seiner freundlichen Fassade verbarg, konnte sie sich wieder vermehrt auf ihre Umgebung konzentrieren.
Dass der Himmel sternenübersät war, ließ ihr einen Herzschlag lang den Atemzug stocken. Es war eine schöne Nacht!
Natalja war ein wenig überrascht darüber, dass ihr Begleiter keine Droschke anhalten ließ.
Anscheinend war das Café oder Restaurant, wohin er sie führen wollte, wirklich relativ in der Nähe und er bevorzugte es, einige Schritte selbst zu unternehmen. Ihr war es recht, denn ihr fehlte ohnehin die Bewegung, die sie früher so reichlich abends gehabt hatte, sogar oft auch den halben Tag über.
Es war wirklich erstaunlich, wie viele Personen um diese Zeit noch unterwegs waren. Sie kannte die Menschenansammlungen, die nach einer Aufführung aus dem Opernhaus strömten, aber sie hatte nicht geglaubt, dass auch ansonsten noch derart viele Leute um diese Zeit unterwegs waren.
Allerdings beruhigte sie es nur noch mehr und sorgte dafür, dass sie sich tatsächlich an seinem Arm entspannen konnte.
Es war interessant, zu zuhören, wie er das neue Wiener Opernhaus aus seiner Sicht schilderte, kannte sie es schließlich von der anderen Seite besser und hatte sie nie wirklich gefüllt gesehen. Er hingegen war mitten darin gewesen während einer Vorstellung und hatte miterlebt, wie das Publikum auf verschiedene Szenen und Tänzer reagierte.
Gerade machte er eine amüsante Bemerkung darüber, wie ein Pärchen sich gestritten hatte, da der männliche Part für einen Moment eingeschlafen war, worüber sie kichern musste.
Oh ja, so etwas konnte sie sich durchaus vorstellen! Sie wusste, einige Ballette, aber auch andere Arten von Aufführungen, allen voran die Opfer, waren ziemlich langatmig, sodass es nicht verwunderlich war, wenn jemand, ermüdet von den Tagesgeschäften, dabei einschlief. Jedoch war es gleichzeitig ein schlechtes Zeugnis, denn es bewies, dass entweder der Choreograph oder der Tänzer nicht gut genug waren, um die aufgebaute Spannung halten zu können.
Auf einmal nahm Natalja aber ein Schaufenster wahr, dass sie sich schon einmal ausgiebig angesehen hatte, sogar erst am gestrigen Nachmittag.
Noch immer trug die Puppe dieses atemberaubende, rote Kleid, das sie sich in ihren Träumen so gerne angezogen hätte!
Doch es war jenseits ihrer Preisklasse und sie würde es höchstwahrscheinlich nie mehr als ansehen können. Außerdem wäre es bestimmt bald verkauft und dann konnte sie wirklich nur noch in ihren Gedanken es betrachten sowie bestaunen.
Unwillkürlich entwich ihr ein leiser Seufzer, gefolgt von einem Murmeln:"Wie schön!"
Doch dann zwang sie sich zur Besinnung. 'Und wenn schon! Du kannst es dir sowieso niemals leisten, also vergiss es lieber endlich!'
Es fiel ihr zwar überraschend schwer, sich von dem Schaufenster abzuwenden, doch sie schaffte es.
Das Lächeln auf ihren Lippen war nicht ganz echt, aber es war besser als nichts. "Sind es noch sehr viele Straßen bis zu Ihrem Ziel, Monsieur?"
Auf Anhieb kam ihr kein besserer Gedanke in den Sinn, um sich selbst von dem Kleid ablenken zu können, und außerdem hatte sich ihr Wunsch nach etwas zu trinken verstärkt.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mi Aug 27, 2008 9:59 pm

Lionels aufmerksamen Ohr und Blick entging nicht die sehnsüchtige Bewunderung, mit der sie das Kleid betrachtete. Abgesehen von dem Schnitt, der Zeit entsprechend, glich es ein wenig dem Kleid, dass den haarsträubenden Streit zwischen Inna und ihm verursacht hatte. Doch offenbar stand seine Tochter schöner Kleidung genauso wenig ablehnen gegenüber, wie er das tat.
Er war sich sicher, dass das Kleid Natalja hervorragend stehen würde, es schien gerade gemacht für sie. Den Rock würde man etwas kürzen müssen, aber das stellte ja kein Problem dar und der Schmuck, ursprünglich für ihre Mutter gedacht, der noch in der mit Samt ausgekleideten Schatulle, die er nie verlassen hatte, schmorte, würde ihren schlanken Hals perfekt betonen. Zumal der schlichte Schnitt des Kleides und die eckigen, nur an den Kanten abgeschliffenen Rubine, von denen jeder einzelne in einem Rahmen aus reinem, ornamentiertem Silber ruhte, zu einem etwa zwei fingerbreiten Band gefasst, perfekt aufeinander abgestimmt schienen.
Lionel ertappte sie dabei, wie er seine Tochte in Gedanken schon mit dem Traum aus Samt ausstattete und sie der Öffentlichkeit präsentierte.
Innerlich rief er sich zur Räson.
Natürlich konnte er morgen in den Laden spazieren und das Kleid kaufen, doch mit absolut hundertprozentiger Sicherheit würde zum einen Nataljas Misstrauen wieder von Neuem angefacht werden und zum anderen würde sie es sicherlich ablehnen.
Schließlich konnte sie nicht von einem vollkommen Fremden ein so Edles und Teures Geschenk annehmen..
Lionel seufzte im Geiste und es gelang ihm, wenn auch mühevoll, sich das schöne Bild seiner siebzehnjährigen Tochter in dem schweren, dunkelroten Kleid, aus dem Kopf zu schlagen.
Fürs erste, schließlich wusste man ja nie, was die Zukunft bringen konnte.
Ihre Frage machte es ihm leichter, sich von dem Gedanken zu verabschieden.
"Nur noch eine Abzweigung trennt uns davon, Mademoiselle.", erwiderte er höflich.
Die Abzweigung war rasch erreicht und die wenigen Meter bis zum Restaurant zurückgelegt.
Vor dem Restaurant in der warmen, dunklen Abendluft, stand ein, in einen eine Spur zu weit sitzenden Frack gekleideter Jüngling mit blondem Haar und großen, wasserblauen Augen. Sobald er bemerkte, dass der Herr, dessen Alter schwer zu schätzen war, und die junge, hübsche Dame an seiner Seite, auf das Restaurant de la Concorde zusteuerten, trat er in Aktion.
"Bonsoir, Monsieur, bienvenue, Mademoiselle...Kann ich Ihnen behilflich sein? Einen Tisch für zwei Personen? Ich zeige Ihnen den Weg, wenn Sie mir bitte folgen möchten.."
"Danke, Monsieur..", erwiderte Lionel liebenswürdig und nur an dem Aufblitzen in seinen Augen konnte man seine Erheiterung über die Diensteifrigkeit des Jungen bemerken.
Dieser schien jedoch schon am Erscheinungsbild Lionels dessen Vermögen abgeschätzt zu haben, denn er geleitete ihn und Natalja zu einem der exclusivsten Tische im ganzen Restaurant. Ein wenig abgesondern von den anderen, nicht zu nah an Küche oder den Streicher - perfekt.
Gerne überließ Lionel ihm seinen Gehrock und bat ihn dann, der Mademoiselle doch die Karte zu bringen. Nachdem sich beide gesetzt hatten, richtete sich sein Blick wieder auf die gegenüber sitzende Natalja.
Er brachte das Gespräch, um ihr Sicherheit zu geben, wieder auf das Ballett und vor allem das Pärchen, den Gegenstand ihrer vorherigen Unterhaltung.
"Verzeihen Sie mir, wenn ich nochmals darauf zurückkomme, doch ich muss zur Verteidigung des eben erwähnten armen Mannes, der während der Oper in Schlaf fiel, noch etwas anbringen. Wie dem Streit der beiden zu entnehmen war, hatte ihn seine überaus reizende Gattin den ganzen Tag über damit beschäftigt und erschöpft, den Garten in einen annehmbaren Zustand zu bringen, obgleich ein Gärtner vorhanden war..."
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mi Aug 27, 2008 10:57 pm

Mit großen Augen bestaunte sie das elegante Restaurant.
Dass ihnen ein Jüngling entgegen kam und sie ansprach, nahm sie nur am Rande wahr, so sehr war sie in diesen Anblick vertieft. Automatisch ließ sie sich von dem Monsieur weiter führen und musste sich stark zusammen reißen, um nicht auch noch offenen Mundes sich alles anzusehen.
Es war alles so chic, so sichtbar teuer!
Ihr wurde das Herz schwer und noch einmal fragte sie sich, ob sie sich überhaupt einen Tee würde leisten können.
Als ihr Begleiter sich von ihr löste, kam sie sich einen Moment lang vollkommen haltlos in dieser Umgebung vor. Doch war sie inzwischen schon genügend Atemzüge lang hier, um sich allmählich wieder fassen zu können.
Sie hatten inzwischen einen Tisch erreicht, der ein wenig abgeschieden wirkte.
Das weckte wieder ihr Unwohlsein, doch brach es nicht vollständig hervor, denn notfalls könnte sie noch immer einfach aufstehen und gehen.
Also biss sie die Zähne zusammen und wollte sich hinsetzen. Monsieur de Cherzny-Dinan kam ihr zu Hilfe und hielt ihr galant den Stuhl hin, sodass sie sich ohne weiteres darauf niederlassen konnte.
Dafür schenkte sie ihm ein Lächeln, obwohl diese trotz ihres Bemühens eindeutig schüchtern wirkte, neben ihrer höflichen Dankbarkeit.
Dass er ihr die Karte bestellte, berührte sie peinlich, noch mehr, dass er selbst keine haben wollte.
Mit einem leisen "Danke" nahm sie die Menuliste an und öffnete sie wie ein Buch, um einen Blick hinein zu werfen.
Gerne hätte sie eine Kleinigkeit gegessen, aber sie hütete sich davor, dieser Versuchung nachzugeben. Dennoch war sie neugierig darauf, was hier überhaupt angeboten wurde.
Die Preise würden entsprechend hoch sein, allein schon bei diesen Namen, wie sie es befürchtet hatte. Da würde selbst eine kleine Tasse Tee schon beinahe zu teuer für sie sein!
Trotzdem, irgendetwas Kleines musste sie bestellen, sonst hätten sie gar nicht erst hier her kommen müssen.
Was er wohl zu sich nehmen würde? Hoffentlich nichts Alkoholisches, dass er womöglich ihr auch noch anbieten würde!
Mit seinen Worten lenkte er sie von ihrer Begutachtung ab und ließ sie aufsehen. Unwillkürlich musste sie schmunzeln und bemerkte schließlich:"In der Tat, ein armer Mann. Ich hoffe für ihn, dass seine Arbeit nicht umsonst war und er trotzdem noch etwas Freude an dem Abend fand! Im Übrigen, Sie haben mir nicht verraten, um welches Ballet es sich damals handelte. War es denn Ihrer Meinung nach gut, wie fanden Sie die Tänzer? Sie erzählten schließlich über das Publikum und haben dies irgendwie ausgelassen!" Natalja versuchte, ein wenig fröhlich und unbeschwert zu klingen, auch wenn es ihr schwer fiel.
Wenn sie doch nur endlich erfahren könnte, warum er sich überhaupt für sie interessierte!
Gut, die Hilfe von ihm gestern konnte man noch damit erklären, dass er von Adel sei und somit eine entsprechende Erziehung genossen hatte, die ihn dazu brachte, jungen Frauen beizustehen. Auch wenn sie selten entsprechende Personen angetroffen hatte, aber man konnte ja nie wissen.
Dieses Treffen heute allerdings... Irgendwie hatte es sich in ihrem Gespräch ergeben und sie hatte sich auch darauf eingelassen. Allerdings, warum überhaupt sein Interesse an der Weiterführung ihrer Unterhaltung? Warf er etwa gerne ein Auge auf jüngere Frauen, wie die meisten Männer, oder was wollte er von ihr?
Gerne hätte sie ihn kurzerhand und unverblümt danach gefragt, aber diese Worte brachte sie einfach nicht über die Lippen.
Einerseits weil sie sich instinktiv vor der Angst fürchtete. Was würde sie schließlich tun, wenn er sie tatsächlich gerne als Liebschaft würde haben wollen? Sie wusste es nicht und hätte es wirklich bedauert, wenn es so gewesen wäre. Denn dann hätte sie den Kontakt auf keinen Fall aufrecht erhalten können oder wollen.
Aber andererseits hielt sie ihr eigenes Standesbewusstsein vor zu direkten, persönlichen Worten ab.
Es war zum Verzweifeln!
In diesen Gedanken drang die leise Musik an ihre Ohren und ließ sie etwas überrascht aufsehen.
Bald hatten ihre Augen wie von selbst die Musiker entdeckt und ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen. Es war schön, wieder ein wenig Kunst hören zu können!
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mi Aug 27, 2008 11:24 pm

Der Mann, der Natalja die Karte brachte, war ein anderer als der, der sie hineingeleitet hatte und sein Frack saß bedeutend besser. Nachdem er der jungen Frau die georderte Karte, die in Kalbsleder gebunden war, soweit Lionel das von seinem Platz aus begutachten konnte, überreicht hatte, zog er sich diskret zurück, doch Lionel bemerkte aus den Augenwinkeln, dass er sich nur wenige Meter weiter an eine Ecke bewegte und dort, das Restaurant im Blick, stehen blieb. Scheinbar war es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass kein Gast zu lange auf Karte, Wein, Speisen und andere bestellte Dinge warten musste.
Doch dieser Herr interessierte den Vampir nicht halb so sehr, wie das die junge Dame tat, die ihm gegenüber, sichtlich eingeschüchtern von der nach Reichtum und Macht strotzenden Atmosphäre des Raumes, saß, wenn auch nicht aus den Gründen, die sie vermutete.
Der Blick ihrer braunen Augen beschäftigte sich eingehend mit den Angeboten und Lionel war froh, dass sich auf der Damenkarte keine Preise befanden. Er wusste in etwa, wie es um diese hier bestellt war, doch für ihn stellte das keinerlei Problem dar, er würde bezahlen, was sie wählte, egal wie viel es kostete. Doch er hegte den Verdacht, dass Natalja die Preise ziemlich schocken würden.
Ihre Blicke trafen sich, als sie auf seine kleine Anekdote antwortete.
Ein leichtes Lächeln streifte seine Mundwinkel und er entgegnete: "Es handelte sich um Coppélia, ein Ballett von Léo Delibes und Charles Nuitter. Ich führe den Mangel an Interresse des erwähnten Herren auf fehlenden Kunstgeschmack seinerseits zurück, denn mir persönlich hat die Aufführung, auch wenn ich mir nicht anmaßen möchte, besonderen genannten Geschmack zu besitzen, recht gut gefallen."
Recht gut - das traf die Sache wohl ziemlich. Überaus spannend war die Geschichte nicht in Szene gesetzt worden, allerdings hatten die tänzerischen und vor allem die spielerischen Fähigkeiten und Leistungen der Tänzer und Musiker einiges wieder wettgemacht.
Ihre Konversation wurde kurz unterbrochen, als das Streichquartett, das für den heutigen Abend für die musikalische Untermalung und den Rahmes des Restaurants sorgen sollte, in Aktion trat.
Schon nach wenigen Takten erkannte Lionel das Stück, eines der weniger bekannteren von Mozart, verfasst in frühen Jahren des Komponisten, der vor beinahe hundert Jahren verstorben war.
Lionel hatte ihn einmal getroffen, kurz mit ihm gesprochen, doch eine engere Bekanntschaft war, aus Mangel an Sympathie beiderseits, nicht entstanden.
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Do Aug 28, 2008 12:00 am

Der Titel des Ballets sowie die beiden Erschaffer sagten ihr nichts, doch das verriet sie nicht.
Es verwunderte sie auch nicht sonderlich, denn Adrienne hatte ihre Gruppe neben Schwanensee hauptsächlich andere Ballette russischer Künstler einstudieren lassen. Bevor sie die Odette und Odile getanzt hatte, hatten sie Onegin aufgeführt. Ein weniger anspruchsvolles Stück für die Prima Ballerina, allerdings mit einer schönen, wenngleich tragischen Geschichte.
Es hatte ihr gefallen, noch dazu war es ebenfalls von dem von ihr bewunderten Tschaikowsky für die Bühne umgesetzt worden.
Die Musik war eine angenehme Untermalung und da Natalja noch ein wenig Zeit benötigte, um sich tatsächlich zu einer Tasse Tee durchringen zu können, sah sie sich um.
Das Restaurant war zwar gefüllt, aber nicht überfüllt, und neue Gäste würden bestimmt noch bequem einen Platz bekommen.
Vor der kleinen Bühne, auf der sich das Streichquartett befand, war etwas Raum frei gelassen worden. Höchstwahrscheinlich eine Tanzfläche.
Auf einmal zog sich ihr Herz beinahe schmerzhaft zusammen.
Wie gerne würde sie wieder tanzen!
Unbewusst biss sie sich auf die Unterlippe und fühlte sich hin und her gerissen.
Einerseits ihre Sehnsucht und andererseits die Gewissheit, dass ihr Begleiter so viel höher stand als sie und sie ihn nicht so ohne weiteres zu einem kleinen Tanz auffordern konnte. Dass er diese Art der Bewegung beherrschte, davon ging sie aus, nur konnte sie natürlich nicht sagen, wie gut er war.
Sie war sich auch nicht so sicher, wie geläufig ihr diese war. Zwar hatte sie dies gelernt, auch weil es bei verschiedenen Stücken notwendig sein konnte, aber niemals so sehr geübt wie das Ballet an sich.
Also wäre es vielleicht doch besser, erst einmal etwas zu bestellen. Und was sollte sie nehmen? Hm...
Sie sah ihren Begleiter fragend an und lächelte. "Was möchten Sie denn trinken, Monsieur? Also, ich denke, ich würde gerne einen russischen, schwarzen Tee nehmen."
Nun war es raus und damit besiegelt, dass sie an diesem Abend noch eine ordentliche Summe allein für einige Schluck Tee ausgeben musste.
Na ja, aber sie hatte es irgendwie auch so gewollt.
Außerdem fühlte sie sich hier, trotz des hohen Standards und der bestimmt entsprechenden Preisen, bei weitem wohler als im Bois de Boulogne.
Die junge Frau schloss die Karte und strich einen Herzschlag lang über die weiche Hülle. Sie war bestimmt ebenso kostbar wie die alles andere hier!
Dann legte sie diese weg und wollte sich darum bemühen, ihr Gegenüber anzulächeln, während sie nach einem neuen Gesprächsthema suchen wollte.
Doch da begannen die Musiker plötzlich mit einem noch jungen Stück. Sie kannte es nicht genau, vor allem nicht den Titel, ahnte aber, dass es von Johann Strauß Sohn, dem berühmten Wiener Walzerkönig, stammen musste, denn es war im Drei-Viertel-Takt gehalten.
Da hielt Natalja nun wirklich nichts mehr.
Ihre Augen begannen zu leuchten und sie sprang fast schon von ihrem Stuhl hoch. "Bitte, Monsieur, lassen Sie uns tanzen!"
Endlich einmal warf sie ihre Bedenken über Bord und hatte ihr Misstrauen keine Chance, ihr diesen Genuss zu verderben.
Sie wollte unbedingt diesen beschwingten Walzer tanzen, selbst, wenn sie es allein tun müsste! Hauptsache, sie konnte sich wieder im Takt der Musik elegant bewegen!
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Do Aug 28, 2008 9:55 pm

Sobald der befrackte Herr bemerkte, dass Natalja die Karte weggelegt hatte, kam er zu ihrem und Lionels Tisch geeilt. Die linke Hand auf dem Rücken behaltend, ergriff er die festgebundene Karte und richtete dann den Blick auf die junge Frau.
"Haben Sie sich entschieden, Mademoiselle..?"
Nachdem sie ihm ihre Wahl mitgeteilt hatte, nickte er mit einem freundlichen Lächeln und wandte sich dann Lionel zu.
"Der Herr...?"
"Danke, aber ich nehme nichts.", erwiderte Lionel mit einem höflichen Nicken.
Hätte er gewusst, dass er den heutigen Abend mit Natalja in einem Restaurant verbringen würde, hätte er zuvor noch einmal gespeist, um ihr nicht enthaltsam gegenüber sitzen zu müssen, doch da dieser Einfall spontan entstanden, dem Moment entsprungen war, war er darauf natürlich nicht vorbereitet gewesen.
Der Kellner erwiderte, wenn auch mit einem weniger freundlichen Gesichtsausdruck, sein Nicken und machte sich dann auf den Weg, um das Gewünschte zu besorgen.
Lionel hätte Natalja durchaus aus mehr spendiert als nur einen kleinen Tee, doch er wollte sie zu nichts drängen, schließlich dachte sie sonst womöglich noch, er versuchte, den Abend absichtlich zu verlängern. Da dies jedoch nicht in seinem Sinne stand, akzeptierte er ihre schlichte Wahl.
Allerdings schien der Tee vergessen, als das Streichquartett ein Stück von Johann Baptist Strauß anstimmte, der in Wien beinahe als Kommunalheld verehrt wurde.
Erfreut stellte Lionel fest, dass Nataljas Augen aufleuchteten und noch mehr erfreuten ihn ihre Worte.
Ihr Misstrauen schien sich allmählich zurückzuziehen, zumindest hoffte er das.
Nicht nur Natalja schien bei den Klängen des Walzers in Tanzstimmung geraten zu sein, denn rasch füllte sich die kleine Tanzfläche mit fünf bis sechs Paaren.
"Wenn Sie es wünschen, Mademoiselle..", erwiderte er und erhob sich schicksalsergeben.
Wobei schicksalsergeben eigentlich nicht das richtige Wort war. Lionel tanzte gern und, nicht nur aufgrund seiner aufgrund vampirischer Existenz überdurchschnittlich eleganten Bewegungen auch sehr gut. Die Art, die Partnerin durch die Musik zu geleiten und dabei gemeinsam der Musik plastischen Ausdruck zu verleihen sagte ihm außerordentlich zu.
Doch schon seit längerem hatte sich für ihn nicht mehr die Gelegenheit zum Tanzen ergeben. Nicht nur der Mangel an Interesse an der weiblichen Gesellschaft, der ihn in den letzen Jahren verfolgt hatte, auch die Lust dazu hatte ihm gefehlt.
Doch heute Abend verpürte er diese seit langem wieder einmal.
Und so betrat er bereitwillig mit Natalja das Parkett.
Ihre schmale Linke legte sich in einer sachten Bewegung auf seine Schulter und er ergriff mit der kühlen, linken Hand ihre Rechte.
Kurz passte er eine Lücke in den tanzenden Paaren ab, den passenden Takt, dann führte er sie sanft in den Walzer hinein.
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Fr Aug 29, 2008 3:20 pm

Es war einfach herrlich! Obwohl es eigentlich nur ein Walzer war, war es trotz allem ein derart belebendes Gefühl, dass diese Tatsache unwichtig erscheinen ließ.
Ihr Begleiter war ein überraschend guter Tänzer, bewegte sich geschickt und vermied jegliche Zusammenstöße mit den anderen Paaren.
So konnte sie sich ganz fallen und sich beruhigt seiner Führung überlassen.
Das Herz ging ihr auf vor Freude, ihre Augen begannen zu funkeln und sie wirkte vollkommen befreit, ganz so, wie sie sich fühlte.
Oh, wie hatte sie das vermisst! Es war ihr unbegreiflich, wie sie jemals auch nur einen Tag darauf hatte verzichten können, Tanzart hin oder her, dieser Walzer hier befriedigte ihre Sehnsucht, ebenso wie es das Ballet hätte tun können.
Was um sie herum geschah, war unbedeutend und selbst wenn er es fertig gebracht hätte, seine Schritte weiterhin derart zielsicher auszuführen und gleichzeitig mit ihr zu reden, Natalja hätte ihn wohl kaum gehört. Es war wie ein lang entbehrter Rausch, der sie mit sich riss und sie aufblühen ließ.
Trotzdem, auch der längste Walzer fand irgendwann einmal sein Ende, so auch dieser.
Die Paare blieben allmählich stehen und klatschten den Musikern sowie sich selbst Beifall.
Danach begab man sich wieder zu den Tischen, vor allem, um nach dieser Anstrengung einen Schluck zu trinken.
Die junge Frau schenkte dem Streichquartett ein dankbares Lächeln, während es ihre Augen selig glitzerten.
Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet und ihr Atem ging um eine Spur schneller. Allerdings nicht so schnell, wie es den meisten anderen Damen erging, da es ihr Körper zu sehr gewöhnt ist, sich lange, ausdauernd zu bewegen.
Gerne ließ sie sich von Monsieur de Cherzny-Dinan zurück zu ihrem Tisch bringen.
Kaum hatten sich beide gesetzt, als ihr Tee gebracht wurde. Der Kellner stellte ebenfalls eine kleine Schale gefüllt mit Zucker bereit, damit sie ihr Getränk süßen konnte.
Dankbar nickte sie ihm zu und war trotzdem noch nicht ganz in die Wirklichkeit zurück gekehrt.
Dieser Rausch war so wundervoll, dass er sie selig machte. Außerdem sorgte ihre Freude dafür, dass das Misstrauen nicht mehr aufkeimen konnte. Zumindest in der nächsten Zeit nicht, denn nichts konnte ihr in diesen Minuten ihr Glück nehmen.
Was für ein wunderbarer Einfall es doch gewesen war von ihrem Begleiter, hier her zu kommen!
Das Lächeln auf ihren Lippen verschwand nicht mehr, selbst dann nicht, als sie vorsichtig den heißen Tee kostete, ehe sie etwas von dem Zucker verwendete.
Er war stark, aber gut und sie musste ihn kaum süßen. Dabei erinnerte er sie unwillkürlich an den noch kalten, aber nicht mehr eisig zu nennenden, russischen Frühling, indem er das perfekte Getränk wäre.
Als sie mit ihrem Löffel die kleinen Körnchen verrührte, blickte sie ihr Gegenüber wieder an. "Sie tanzen wirklich sehr gut, Monsieur! Woher kommt dies? Ist es Ihr Talent oder Ihre Leidenschaft, oder gar beides?" Ihre Freude machte sie offener, zugänglicher und sorgte auch dafür, dass sie ihre Neugier nicht mehr so stark zurück hielt. "Außerdem möchte ich Ihren Lehrmeister auf alle Fälle loben! Er hat es verstanden, Ihnen bei zu bringen, wie man elegant und selbstsicher eine Frau führen sollte, um einem Walzer gerecht zu werden!"
Sie lächelte und wünschte sich, die Musiker mögen bald wieder eine Weise von Strauß Sohn aufspielen.
Natalja fühlte sich wie neu geboren und sämtliche Zweifel, dass dieser Abend nur missglücken würde, waren wie weggeblasen. Es war einfach nicht mehr wichtig!
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan So Aug 31, 2008 8:25 pm

Natalja war eine angenehme Tanzpartnerin. Leicht zu führen, sich elegant und grazil bewegend.
Vater und Tochter bildeten, obgleich der für das Tanzen eigentlich ungünstigen Größenverhältnisse, ein sehr eindrucksvolles Paar und bewegten sich beinahe überirdisch elegant und hunderprozentig taktrein zur Musik. Mehr als einmal wich ein weniger versiertes Paar den beiden aus und somit mussten sie den Dreivierteltakt kein einziges Mal unterbrechen.
Die beiläufigen Blicke erfreuten sich an dem Paar, obgleich Nataljas schlichtes, in diesem Ambiente schon beinahe ärmlich wirkendes Kleid zwischen den wirbelnden Röcken der anderen Damen fast verschwand. Allerdings glich sie dies durch ihren leichtfüßigen, harmonischen Tanz aus, der den anderen abging, aus und wurde somit trotz ihres schlichten Äußeren zum Blickfang.
Doch schon nach wenigen Minuten, einer viel zu kurzen Zeitspanne, wie Lionel fand, endeten die Musiker unter dem gefälligen Applaus der Tänzer und des speisenden Publikums.
Ein Lächeln auf den Lippen blickte Lionel zu Natalja, die den Blick auf das Quartett, das sich in der Anerkennnung der Menschen sonnte, gerichtet hatte.
Der Tanz hatte eine leichte Röte auf ihre Wangen und ein Funkeln in ihre braunen Augen gebracht. Ihr war deutlich anzumerken, dass das Tanzen ihr Leben bestimmte und dominierte, sie dies jedoch willig hinnahm und sich gerne in eleganten Bewegungen der Musik hingab, eine Leidenschaft, die sie mit ihrem Vater teilte.
Ihre Hand auf seinem Unterarm ruhend lassend, ließ sie sich zurück zum Tisch führen und schon nach wenigen Augenblicken erschien der Befrackte und servierte ihr unter wortreichen Floskeln, die seine Freude darüber, diese Handlung ausführen zu dürfen, ausdrückten, den gewünschten Tee.
Natalja begann wieder zu sprechen, wobei ihr Blick mit den ihres Vaters traf.
Der Tanz schien ihre zuvor doch ein wenig zurückhaltende Zunge gelöst zu haben und es freute Lionel, in seiner Tochter solche Wissbegier, Aufgeschlossenheit und Fröhlichkeit zu entdeckten.
"Vielen Dank, Mademoiselle, doch ich kann das Kompliment nur zurückgeben, sowohl an Sie, als auch an Ihren Lehrmeister. Das Tanzen ist schon immer eine meiner bevorzugten Beschäftigungen gewesen, eine Eigenschaft, die wir scheinbar teilen."
Ein kurzes Lächeln flog über sein Gesicht, dessen Haut noch genauso blutleer und alabasterweiß war wie vor dem Walzer.
Dies änderte sich auch nur, wenn er speiste und auch nur wenn er großzügig speiste. Dann erhielt seine Haut einen angenehmeren, weniger kalt und leblos wirkenden Farbton, doch allein um des Aussehens wegen mehr Blut zu sich zu nehmen kam für Lionel nicht in die Frage.
Die Tage der von der Sonne gebräunten und verwöhnten Haut waren unwiderruflich dahin.
Doch im fahlen Nachtlicht erkannte sowieso kaum jemand die Gesichtsfarbe seines Gegenübers und so sah sich Lionel, abgesehen von Situationen wie der momentanen, diesen Umständen nicht all zu oft gegenüber.
Er fuhr fort zu sprechen : "Mich wundert allerdings, dass man Sie beim Ballett den Walzer lehrt..."
Er vermutete, diesen Punkt auf Adriennes Konto gutschreiben zu müssen. Denn wer sonst hätte Natalja Schritte und Haltung des Walzers beibringen sollen?
Einst hatten Lionel selbst und Adrienne all dies Inna beigebracht, unter sehr viel Gelächter und Scherzen. Das war ziemlich am Anfang seiner Beziehung zu Inna gewesen und Adrienne, die er schon vor Inna gekannt und durch welche er seine Geliebte schließlich auch kennen gelernt hatte, war Lionel damals noch nicht ablehnend und misstrauisch gegenüber gestanden.
Diese Haltung hatte sich erst im Verlauf des erstes Jahres entwickelt, sie war gewachsen, geschwärt und niemals richtig zum Ausbruch gekommen...
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mo Sep 08, 2008 10:14 pm

Eine sanfte Röte verstärkte ihre Gesichtsfarbe noch und sie lächelte um eine Spur verlegen, jedoch wurde sie keineswegs so schüchtern wie noch zuvor. Dafür sorgte noch immer das Hochgefühl in ihr.
"Es ist auch eine wunderbare Art, um die Musik zu genießen und man versteht sie dann auch... inniger, finde ich."
Es war nicht ganz das richtige Wort, allerdings fiel ihr derzeit keines ein, dass annähernd an die Beschreibung des Gefühls heran reichte. Aber sie freute sich, denn sie schien ein Gesprächsthema gefunden zu haben, das ihnen beiden lieb war.
Er tanzte also gerne. Das hatte sie gemerkt und trotzdem war es helfend, es außerdem aus seinem Munde zu hören.
Unwillkürlich musste sie leise lachen und es blitzte ein klein wenig schelmisch in ihren Augen auf. "Sie würden sich wundern, Monsieur, was man alles für Tanzschritte beim Ballet lernen kann. Wir haben sogar einen eigenen Walzerschritt!"
Lächelnd nippte sie an ihrem Tee und ließ ihm Zeit, ihre Worte erst einmal etwas wirken zu lassen.
In der Tat hatten sie eine Schrittkombination, die im Drei-Viertel-Takt auszuführen war. Aber sie glaubte kaum, dass dieser auf dem Tanzparkett angebracht wäre. Noch dazu vollführte man diese Bewegungen alleine.
Als sie die Tasse wieder zurück stellte, griff sie den Gesprächsfaden wieder auf. "Meine Lehrmeisterin war der Meinung, dass es besser für ihre Schüler sei, auch die derzeitigen Modetänze zu beherrschen. Man konnte nie wissen, sagte sie immer, wann man dieses Können einmal gebrauchen müsste. Denn es gibt im Ballet durchaus Szenen, in denen Feste stattfinden und wenn es ein Choreograph wollen würde, würde dann auch unter anderem ein Walzer gezeigt werden. Darum kenne ich auch diese Schritte. Wobei ich Ihnen noch einmal mein Lob aussprechen möchte. Sie führen wirklich gut." Sie wollte ihrem Gegenüber nicht unnötig schmeicheln, das war nicht ihre Art.
Dennoch wollte sie einen Umstand betonen, der in ihren Augen selten geworden war. Selbst in der Tanzgruppe von Adrienne hatte es nur sehr wenige Männer gegeben, die an das Können von Monsieur de Cherzny-Dinan heran gereicht hatten, und niemand war dabei gewesen, von dem sie hätte behaupten können, dass er ihn übertrumpft hätte.
"Im Übrigen, Monsieur, finde ich es nicht sonderlich schwer, einen Walzer zu tanzen. Die Schrittkombination ändert sich niemals, man muss immer nur weiter gehen. Und Drehungen sind ebenfalls nicht sonderlich anstrengend. Zumindest nicht für eine Tänzerin, die sowieso geübt sein muss in Pirouetten und ähnlichem." Natalja war ins Schwärmen geraten, was man am Deutlichsten an ihren glitzernden Augen sehen konnte.
Sie hatte schon immer gerne Drehungen aller Art gehabt und es war ihr teilweise leichter gefallen als den übrigen. Ihr war dabei stets weniger stark schwindelig geworden als anderen und das war ihr Vorteil gewesen. Außerdem waren ihre blutigen Zehen meist schneller geheilt und somit hatte sie früher wieder vollkommen auf Spitze tanzen können. Was natürlich auch zu Neid geführt hatte, aber trotzdem, sie hatte es nicht ändern und sich vor allem nicht erklären können, warum sie so viel Glück hatte.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan So Sep 28, 2008 3:36 pm

"Im Allgemeinen kann ich Ihnen nur zustimmen, der Walzer ist in der Tat einer der einfacheren Tänze. Allerdings macht im speziellen Einzelfall auch die Tanzpartnerin sehr viel aus. Mit einer Dame zu tanzen, der Eleganz und Takt nur in geringem Maße in die Wiege gelegt oder gelehrt wurden, macht selbst den einfachsten Walzer zu einer schwierigen Aufgabe.", erwiderte Lionel, er konnte aus Erfahrung sprechen.
Er unterbrach sich einen Moment, während Natalja einen Schluck des wohltemperierten Tees zu sich nahm und fuhr dann fort : "Doch eine meiner besten Lehrerinnen, Adrienne Pawlowa, hat mir glücklicherweise in dieser Hinsicht ein wenig Gleichmut anerzogen.."
Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen, keinen seiner Gedanken verratend.
Ihm war klar, dass Natalja aufmerken würde, bei Adriennes Namen. Doch dies war seine Absicht gewesen. Irgendwann musste er ja einmal anfangen, sie an seine Verbindung zu Russland, ihrer Mutter und die Umstände ihrer Herkunft heranzuführen und warum nicht jetzt?
Sie schien ihr Misstrauen ein wenig abgelegt zu haben und der Hinweis auf seine Bekanntschaft zu Adrienne war ein kleines Stückchen des riesigen Kuchens von Wissen über Nataljas Entstehung, das sie für den Anfang genug beschäftigen und nicht überfordern würde.
Zumal Adrienne wahrscheinlich, sollte sie je nach Paris kommen, mit ihrer Beziehung zu und ihrer daraus resultierenden Abneigungen gegen Lionel nicht hinter dem Berg halten würde. Und das Natalja die Wahrheit auf diese Weise erfuhr, stand nicht im Geringten in Lionels Sinn.
Denn Takt, das wusste er mittlerweile, gehörte nur in gerinfügiger Ausführung zu Adriennes Stärken. Zwar hatte sie Inna niemals bewusst verletzen wollen und würde dies bestimmt auch bei ihrer Tochter nicht tun, doch Lionel war der Ansicht, dass sie diese edlen Vorsätze angesichts des Objekts ihrer Abneigung des öfteren einmal vergaß. Denn auch Inna hatte herausgefunden, dass ihre beste Freundin und ihr Geliebter sich nicht gerade mit freundschaftlichen Gefühlen gegenüberstanden. Allein das Wort - gegenüberstehen - war schon sehr gut in der Lage, die Situation zwischen den beiden, als Inna noch im Mittelpunkt der Welt der beiden gestanden hatte, zu beschreiben. Beiden schenkte sie ihre Gunst, nach der beide strebten und um die sie umbewusst rivalisierten. Zwar war dieser schwelende Konflikt niemals wirklich zum Ausbruch gekommen, vermutlich weil es allen dreien zu kindisch und albern vorgekommen wäre, doch unterschwellig köchelnd war die Abneigung durchaus in dem einen oder anderen Moment zu spüren gewesen, wenn auch von Lionels Seite in keinem Wort erwähnt. Doch Adriennes Selbstbeherrschung war eben noch nicht durch so viele Jahre der Übung geschult gewesen und hatte das Level von Lionels Kontrolle bestimmt auch in diesen Tagen nicht erreicht.
Scheinbar schien Natalja nun Innas Platz zwischen ihnen einzunehmen, die Tochter, die der Mutter so ähnlich war und die für Lionel eine Verbindung zwischen Zukunft und Vergangenheit darstellte.
Er war gespannt, sogar ein wenig neugierig auf die Reaktion, die der kleine Brocken, den er ihr scheinbar beiläufig hingeworfen hatte, hervorrufen würde.
Darauf, diese Gefühle in einem Vampir hervorzurufen konnte Natalja sich allein schon etwas einbilden. Es war nicht leicht eine Kreatur, für die sich im endlosen Lauf der Jahre alles immer wiederholte und die alles immer wieder gleich ablaufen sah, zu einer Gefühlsanwandlung wie Neugier zu verleiten.
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mo Sep 29, 2008 8:44 pm

Ruckartig hob sich der Blick der jungen Frau bei der Erwähnung eines ihr äußerst bekannten Namens. Staunend starrte sie ihr Gegenüber an.
Wie? Er kannte Adrienne? Ihre Lehrerin und Ziehmutter?! Wie war das möglich?
"Sie... Sie kennen Adrienne Pawlowa?", flüsterte sie noch immer äußerst verdutzt.
Es fiel ihr schwer zu glauben, obwohl... eigentlich wäre es andererseits zumindest von ihrem Alter her möglich, dass sie tatsächlich in Kontakt miteinander standen oder gestanden hatten.
Aber wann? Nun, er hatte von einem Aufenthalt in Moskau gesprochen.
Allerdings hatte Natalja gedacht, ihre Ziehmutter wäre immer schon ausschließlich für das Ballet dagewesen, nicht für privaten Unterricht. Dass sie Walzer tanzen konnte, das wusste sie nur zu gut, trotzdem war es eine große Überraschung für sie.
Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich klar darüber wurde, dass sie den Monsieur noch immer unhöflich direkt anstarrte.
Mit einem leisen, verlegenen Räuspern wandte sie den Blick ab und stellte die Tasse endlich wieder zurück auf ihren Unterteller.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen.
"Ich hätte nicht gedacht, dass sie jemand anderes unterrichtet als Ballettänzer." Erneut hob sie ihre Augen und versuchte weiter, sich für ihr Erstaunen zu rechtfertigen, denn es war ihr in einem gewissen Sinne fast schon peinlich. "Sie müssen wissen, Adrienne Pawlowa ist jene Frau, welche die Gruppe aus Tänzern gegründet hat, bei der ich die Prima Ballerina sein durfte. Ich hoffe, sie verstehen somit, dass es mich sehr verwundert, dass Sie ebenfalls bei ihr gelernt haben, und auch, dass ich neugierig bin. Wie kommt es, dass Sie Kontakt mit ihr gehabt haben? Sie hatte uns nie etwas davon erzählt und wir haben alle geglaubt, sie lehre nichts weiteres als das Ballet. Könnten Sie mir Adrienne bitte ein wenig beschreiben? Nicht, dass wir vielleicht von zwei verschiedenen Frauen sprechen." Sie lächelte verlegen und atmete innerlich auf, dankbar dafür, den Mut zu diesen Worten gefunden zu haben, sogar ohne zu stocken.
In der Tat schloss sie die Möglichkeit eines zufällig gleichen Namens nicht aus. Wenngleich dies eher unwahrscheinlich war, da nicht viele Frauen in Russland einen französischen Vornamen und gleichzeitig heimischen Nachnamen trugen.
Ob ihr Gegenüber vielleicht sogar Adriennes verstorbenen Mann gekannt hatte? Auch das wäre möglich, sofern sie durch Sympathie verbunden gewesen waren. Da sie sich vom gesellschaftlichen Stand soweit unterschieden, dass es eine zufällige Begegnung auf einem Fest eigentlich ausgeschlossen war.
Ihre Ziehmutter war vor Nataljas Geburt verwitwet und hatte niemals über ihren Gatten gesprochen, obwohl die Tänzerin durchaus neugierig gewesen war. Trotzdem hatte sie nie etwas über diesen Mann erfahren können, selbst nicht von den älteren Personen, solange diese noch in der Gruppe gewesen waren, wenn diese überhaupt etwas gewusst hatten.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mi Okt 01, 2008 8:38 pm

Nataljas Überraschung auf Lionels kleine Eröffnung hin war an ihrem Gesichtsausdruck leicht abzulesen, vermutlich wäre sie sogar einem Laternenpfahl aufgefallen.
Allerdings fing sie sich, was angesichts der edlen Kulisse, in der sich die Szene abspielte, durchaus angebracht war, rasch wieder und gab, nachdem sie ihre Gesichtsmuskulatur wieder der direkten Kontrolle ihrer Selbstbeherrschung unterstellt hatte [<- geil beschrieben, oder?^^], die Gründe, die ihr Erstaunen hervorgerufen hatten, an.
Lionel hatte nicht gewusst, dass Adrienne den Tanzunterricht, den sie früher gewissen privilegierten Personen erteilt hatte, an den Nagel gehängt und sich ganz dem Ballett gewidmet hatte. Früher hatte sie damit gutes Geld verdient und das Ballett war eher eine Art großes Steckenpferd gewesen, von dem man froh sein konnte, wenn es sich einigermaßen selbst trug und man keine Ausgaben damit hatte. Der Unterricht, den sie betuchten und nicht selten untalentierten Mitgliedern der Moskauer "Upper Class" gegeben hatte, war hingegen ein sicheres Einkommen für die gebürtige Französin gewesen. Zumindest damals noch.
Lionel selbst hatte die wenigen Stunden bei Adrienne nicht etwa genommen, weil er seine Tanzkünste auffrischen oder vertiefen wollte, kaum möglich angesichts dessen, dass sie denen der Lehrerin ebenbürtig waren, sondern um sich die Zeit zu vertreiben.
Die Langeweile, die ihn zu der Zeit gequält hatte, war mit der Zeit immer drückender geworden und auch alle Feste, Soiréen und Empfänge, die er besucht, Bibliotheken, die er durchgelesen und Museen die er besucht hatte, hatten ihm seine Langeweile nicht nehmen können. Und die Tanzstunden waren einer der Versuche gewesen, diese abzuschütteln.
Letzdendlich war ihm dies auch gelungen, allerdings nicht auf die Weise, die er im Sinn gehabt hatte.
"Zur Zeit unserer letzen Zusammenkunft unterrichtete Madame Pawlowa hauptsächlich die modernen Gesellschaftstänze und das damals noch eher klein aufgezogene Ballettensemble diente eher zu ihrer Freizeitgestaltung denn zu erweblichen Zwecken.", gab er ihr einen kleinen Einblick in die Vergangenheit und erklärte sich dann selbstverständlich bereit, eine Beschreibung von Adrienne abzugeben, deren Bild noch glasklar vor seinem inneren Auge stand.
[ich beschreib jetzt einfach mal drauf los, beschwer dich einfach, wenn dir irgendwas nich passt =D]
"Meinen Erinnerungen nach ist Madame Pawlowa von mittlerer Statur und sie trug, zumindest um 1870 herum, als ich sie traf, meistens schlichte Kleidung, jedoch erlesenste Schmuckstücke. Besonderen Eindruck haben ihre Hände auf mich gemacht - ", schilderte er und warf Natalja einen Blick und ein schmales Lächeln zu, " - sie waren immer in Bewegung, gepflegt und am Ringfinger der linken Hand trug sie immer ihren Ehering, einen Goldschmuck feinster russischer Schmiedekunst, in den ein Smaragd eingelassen und ein Namenszug eingraviert war."
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mi Okt 01, 2008 10:36 pm

Unwillkürlich musste Natalja lächeln.
Ja, sie hatte selbst noch miterlebt, wie aus einer kleinen Ansammlung Tänzer eine angesehene Gruppe von Künstlern geworden war, die gut von ihren Einnahmen leben konnten. Auch ihr Verdienst als Prima Ballerina war für ihre Verhältnisse äußerst ansehnlich gewesen.
Da stellte sie sich Adriennes Lohn noch ein wenig beträchtlicher vor, obwohl sie diesen niemals erfahren hatte. Sie hatte aber auch nicht danach gefragt, so etwas gehörte sich nicht und wäre außerdem unangebracht gewesen.
Bei der Beschreibung verbreiterte sich ihr Lächeln wie von alleine um eine Spur.
Ja, das war Adrienne, ihre Ziehmutter, wenngleich auch nicht alles heute noch auf sie zutraf, aber der Großteil stimmte überein.
Langsam nickte sie und entspannte sich ein wenig. "So wie es aussieht, kennen Sie und ich in der Tat die selbe Adrienne Pawlowa. Auch wenn sie inzwischen nicht länger sonderlich viel Schmuck trägt, außer ihren Ehering. Dafür sind ihre Hände noch immer ständig in Bewegung."
Ihr Lächeln nahm einen leicht verträumten Zug an und sie nippte ein weiteres Mal an ihrem Tee.
Sie konnte sich gut daran erinnern, wie verblüfft viele der Tänzer und Tänzerinnen darüber gewesen waren, wenn sie neu hinzu gekommen waren. Die junge Frau hingegen hatte sich von klein auf dran gewöhnt.
Obwohl sie sich noch an zwei spezielle Situationen besinnen konnte, wo die Hände ausnahmsweise ruhig geblieben waren. Immer, wenn ihre Ziehmutter sie auf dem Arm gehalten hatte, wenngleich diese Erinnerungen eher schemenhaft waren. Und wenn Adrienne tanzte, besser gesagt, eine Choreographie vorzeigte.
Dann war sie vollkommen kontrolliert, jede Faser ihres Körpers hatte von Kraft und Jugendlichkeit gestrotzt, sodass man ihr die Jahre, die sich sonst in ihrem Gesicht zeigten, nicht angemerkt hatte.
"Ich hoffe, ich dringe nicht zu sehr in Sie, Monsieur, allerdings würde es mich sehr interessieren, wie Ihre Bekanntschaft mit Adrienne verlief." Ihre Augen blitzten neugierig und sie hielt die Tasse noch immer vor ihre Lippen, um etwas Ablenkendes zu tun zu haben, sollte sie für ihr Empfinden zu weit gehen. "Wahrscheinlich nahm sie nicht an, dass Sie zur Zeit in Paris weilen, denn ich bin sicher, sie hätte Sie besucht. Sie pflegte zu ihren Schülern stets einen freundlichen, nicht abreißenden Kontakt. Zumindest war dies immer so bei den Tänzern und Tänzerinnen, welche die Gruppe verlassen hatten."
Innerlich beglückwünschte sie sich für diese, für ihr Können gewandte Umschreibung. Da sie das Gefühl hatte, dass ihre Ziehmutter sie höchstwahrscheinlich mit ihrem Gegenüber bekannt gemacht hätte, damit sie nicht vollkommen allein in Paris zurück blieb.
Es sei denn... Darüber wollte Natalja lieber nicht nachdenken, vorerst nicht, um nicht wieder dem Misstrauen freien Raum zu geben.
Obwohl... Und wenn es angebracht wäre?
Sie nippte an dem Tee und konzentrierte sich darauf, um sich nichts anmerken zu lassen.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mi Okt 01, 2008 11:14 pm

Natalja sprach in einem freundlichen, liebevollen Ton von Adrienne, der Lionel auf der einen Seite beruhigte, auf der anderen aber auch wieder einmal die altbekannten Zweifel und Schuldgefühle weckte.
Scheinbar hatte es seine Tochter bei Adrienne sehr gut gehabt und die russisch-französische Tänzerin hatte sich ihrer wie versprochen angenommen und sie wie ihr eigenes Kind aufgezogen. Und, wie er bereits festgestellt hatte, eine vielversprechende, freundliche junge Dame und Tänzerin aus ihr gemacht. Unter diesen Gesichtspunkten also war seine Entscheidung von 1872 richtig gewesen.
Doch auf der anderen Seite war, wie immer wenn er Natalja betrachtete, die Frage in ihm, was wohl passiert wäre, wenn er sie damals nicht Adrienne in die wartenden Arme gedrückt hätte. Was wäre aus ihr geworden? Was aus ihm?
Er unterdrückte das Fragengewirr, dass in ihm aufzukeimen drohte und konzentrierte sich stattdessen auf das Gespräch mit seiner Tochter.
Konzentration war hierbei auch von Nöten, angesichts von Nataljas durchaus nicht leicht zu beantwortenden Frage nach der Bekanntschaft und der Trennung.
Die Wahrheit wäre eindeutig zu viel für sie und war auch mit zu viel Vorgeschichte verbunden. Also entschied er sich für eine Art Halbwahrheit.
"Bedauerlicherweise endete unser Kontakt damals ercht aprubt mit meiner Abreise aus Moskau. Ich bin mir allerdings relativ sicher, dass sich an unserer Beziehung zueinander nichts geändert hat, Mademoiselle Nikolajewna."
Bestimmt hatte sich an der eisigen Abneigung nichts geändert, von der allerdings in seinen Worten nichts zu erkennen war. Es klang vielmehr, als hätten er und Adrienne in freundlichem Lebewohl-Ton zu einander lebewohl gesagt.
Er richtete sich ein wenig auf und legte die Hände auf dem blütenweißen Tischtuch, gegen das sich das Weiß seiner Haut nicht sonderlich abhob, so gegeneinander, dass sich die Fingerspitzen leicht kreuzten. Sein Blick flog kurz zu Nataljas Teetasse, die mittlerweile fast geleert war und dann wieder zu ihrem Gesicht, das ihm fremd und doch seltsam vertraut vorkam.
Dann begann er erneut zu sprechen : "Es interessiert mich sehr, mehr über Ihre Beziehung zu Madame Pawlowa zu erfahren, doch bevor wir dieses Thema weiter verfolgen, möchte ich Sie kurz fragen, ob Sie mir nicht vielleicht doch die Freude machen wollen, Sie zu einem kleinen Nachtmahl einzuladen..."
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Beitrag  Natalja Nikolajewna So Okt 05, 2008 11:59 pm

Er antwortete ihr vage.
War sie zu weit gegangen? Höchstwahrscheinlich, denn sie hatte ihre Neugierde nicht mehr so sehr gezügelt, wie sie es eigentlich hätte tun können.
Also wäre es besser, das Thema vorläufig sein zu lassen, auch wenn sie sich dafür interessiert hätte, was genau er mit seiner Aussage gemeint hatte.
Eine abrupte Abreise, warum? Was hatte ihn dazu veranlasst? Garantiert Geschäfte, oder vielleicht etwas Privates?
Nun ja, das war nicht so wichtig, wie die Frage, was für eine Beziehung er zu Adrienne gehabt hatte. Sie hatte sich nicht geändert, laut ihm. Jedoch hatte sie ihn ihrer Ziehtochter weder vorgestellt, noch ihn empfohlen, damit sie nicht völlig allein in Paris zurück blieb, obwohl er eigentlich so klang, als wären sie gute Freunde gewesen.
Bedeutete dies also, dass sie sich zerstritten hatten? Hatte es womöglich mit seiner Abreise zu tun?
Fragen über Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum, sodass sie seine nächsten Worte beinahe überhört hätte.
Etwas überrascht sah sie ihn an, bis sich ihr Blick sich veränderte, das Erstaunen um einiges intensiver wurde.
Meinte er das ernst?! Nein, das konnte sie doch nicht tun!
Natürlich, Hunger hätte sie. Sie kannte schließlich dieses leichte Ziehen im Bauch gut genug, um seine Bedeutung zu kennen. Allerdings war es hier bestimmt sehr teuer.
Und außerdem hatte sie im Prinzip schon ihr Abendessen, ein einfaches Croissant, gehabt und ihr Körper war es gewohnt, ein wenig zu fasten.
Natalja wollte keinen schlechten Eindruck erwecken und es war ihr etwas unangenehm, dass er sie so offen dazu aufforderte, seine Finanzen noch um eine Spur mehr zu belasten. Andererseits hatte sie es sich auch irgendwie erhofft, dass sie nicht selbst würde zahlen müssen.
Im Moment verdiente sie nichts und allein schon deswegen wollte, aber vor allem musste sie sparen, wo es nur ging.
Jedoch war ihr dieser Umstand auch peinlich und schon gar nicht wollte sie es derart deutlich sagen, warum sie sich zurück hielt.
Also versuchte sie zu lächeln und sich heraus zu reden, ihr schlechtes Gewissen, sollte sie tatsächlich ein kleines Gericht bestellen, beruhigen. "Möchten Sie denn nicht ebenfalls etwas speisen, Monsieur? Es... es wäre mir ein wenig unangenehm, würden Sie mir lediglich zusehen dabei." Die Röte in ihren Wangen war nicht gespielt.
Die junge Frau konnte fühlen, wie die Euphorie, die sie dank des Walzers empfunden hatte, immer mehr verschwand und ihr altes Verhaltensmuster nicht mehr zurück halten konnte. Obwohl es zum Glück noch nicht ganz so schlimm war, wie sie es schon erlebt hatte.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mo Okt 06, 2008 7:15 pm

Einerseits war Lionel erfreut über Nataljas Antwort, die sein Angebot nicht grundsätzlich abschlägig behandelte, auf der anderen Seite brachte sie ihn aber auch ziemlich in die Bredouille.
Einem Vampir war es, das hatten ihn Jades Anleitungen und seine eigene jahrelange Erfahrung gelehrt, natürlich grundsätzlich schon möglich, die Speisen der Menschen zu sich zu nehmen, doch setzte dies ein umfangreiches Mahl auf vampirische Art voraus. Da Lionel nun allerdings seinen Blutkonsum auf ein Minimum beschränkte, waren ihm in dieser Hinsicht die Hände gebunden.
Natürlich war es ein wenig blauäugig von ihm gewesen, sie in ein Restaurant zu führen und doch dabei zu hoffen, selbst nicht speisen zu müssen, doch er war nicht davon ausgegangen, sie bereits beim zweiten Treffen in ein solches führen zu dürfen. Ihr Misstrauen bei der ersten Begegnung auf der nächtlichen Straße in Montmartre hatte ihn davon überzeugt, dass eine Einladung in eines der besseren Restaurants am Platz noch längere Zeit würde warten müssen.
Doch offensichtlich hatte er sich, sehr zu seiner Freude, getäuscht.
Wenn da nur nicht das Problem mit dem Essen wäre.
Er schenkte ihr erneut ein Lächeln, dann erwiderte er : "Leider, Mademoiselle, habe ich heute bereits, bevor ich zur Fortsetzung unserer Konversation von neulich Abend aufbrach, mehr als großzügig gespeist."
Eine lahme Ausrede, zugegeben, doch eine der plausibelsten.
Er schwieg für einen kurzen Moment, dann ergänzte er : "Ich hoffe jedoch sehr, dass sie die Unbilden, die ein einsames Mahl mit sich bringt, bei Seite lassen und mir den Gefallen, Ihnen ein kleines Dinner zu spendieren, tun können..wäre Ihnen dies möglich?"
Sein aufmerksamer Blick, mit dem er sie bedachte, verdeutlichte nichts als Aufrichtigkeit und die vorgebrachte Bitte.
Allerdings wartete er ihre Antwort nicht ab, sondern bedeutete dem befrackten Ober mit einem kurzen Blick, Natalja die Speisekarte erneut zu bringen.
Dieser nahm die unausgesprochene Aufforderung mit einem erfreuten Aufleuchten im Gesicht wahr und erreichte, erneut das in Kalbsleder gebundene Buch in der rechten, den Tisch.
"Die Karte für Sie, Mademoiselle..", meinte er mit einem diensteifrigen Lächeln und einem starken südfranzösischen Akzent, anschließend zog er sich unauffällig wieder auf seinen Posten zurück.
Lionel richtete den Blick seiner dunklen, blaugrauen Augen wieder auf seine Tochter und meinte, in seinem Lächeln dieses Mal weniger Abstand denn ein Stück weit sogar Wärme, die kein Misstraun erregen konnte : "Bitte, Natalja.."
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mo Okt 06, 2008 7:42 pm

Unwillkürlich musste sie schmunzeln.
Er hatte also schon gegessen? Irgendwie glaubte sie ihm nicht so recht. Genau konnte sie es nicht benennen, es war eher ein Gefühl, dass diese Wort nicht ganz der Wahrheit entsprachen. Sie waren zu... simpel, fast schon zu logisch.
Allerdings ließ er sie gar nicht erst dazu kommen, nach zu haken, was sie auf der anderen Seite ohnehin nicht getan hätte.
Wieso sollte sie bohren und ihn womöglich ein wenig damit verärgern? Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Diese Regel hatte auch sie gelernt, wenngleich nicht derart drastisch wie manch andere.
Trotzdem wollte sie ihn, was sie wohl am meisten überraschte, eine Winzigkeit ärgern. So ließ sie sich Zeit mit ihrer Antwort und nahm auch die Karte entgegen.
Einige Sekunden lang starrte sie auf den Einband und schlug ihn schließlich mit einem theatralischen, unwilligen Seufzen auf.
"Nun, wenn Sie darauf bestehen...", murmelte sie, konnte sich jedoch ein feines Grinsen nicht verkneifen.
Danach sah sie ihn direkt an und unterdrückte das Schmunzeln nicht mehr.
"Aber ich bestehe darauf, dass Sie, sollten wir noch einmal das Vergnügen eines gemeinsamen Restaurant-Besuchs haben, ebenfalls etwas bestellen!" Ihr Ton klang ein wenig scheltend und so war es auch gemeint.
Doch allein die Tatsache, dass sie den Mut dazu fand, stimmte sie wieder um eine Spur entspannter. Die Tänzerin war froh darüber, dass ihr Gegenüber nicht auf den Standesunterschied zu achten schien und das half auch ihr.
Dank dem Herren Talib hatte sie sich etwas daran gewöhnen können mit adeligen Personen zu reden.
Im Stillen dankte sie ihn dafür und konnte gerade noch den Stich in ihrem Inneren unterdrücken, damit man ihr nichts von ihren Gedanken anmerkte. Er fehlte ihr.
Allerdings lag es an ihm, sich bei ihr zu melden, und da er dies nicht tat, musste sie annehmen, dass er dafür keine Zeit hatte.
Stattdessen jedoch hatte sie eine neue Bekanntschaft gemacht. Zwar spürte sie, dass diese niemals das werden würde, was zwischen ihr und dem Herren hätte entstehen können, aber es würde ihr die Langeweile nehmen. Das hoffte sie zumindest.
Mit diesen Gedanken und einem lautlosen Seufzen konzentrierte sie sich auf die Karte und versuchte, ein kleines Gericht, das hoffentlich nicht zu teuer war, zu wählen. Es war schwer, aber schlussendlich entschied sie sich für eine Suppe. Das wäre weder zu viel für ihren Magen, noch theoretisch nicht zu kostenintensiv.
Kaum hatte sie die Karte geschlossen auf den Tisch gelegt, kam der Kellner daher und fragte lächelnd nach ihren Wünschen.
"Eine Paprikacremesuppe mit Croutons, s'il vous plaît.", sprach sie.
Er nickte, lobte ihre Wahl, wobei sie nicht an dessen Wahrheitsgehalt glaubte, nahm die Karte wieder an sich und verschwand.
Mit einem leisen Seufzen lehnte sie sich zurück und blickte ihr Gegenüber mit einem schelmischen Funkeln in den Augen an. "Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden und nun zufrieden!" Ihre freundliche Stimme entschärfte ihre Worte.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mo Okt 06, 2008 8:08 pm

Bei ihren Worten umspielte ein leichtes, einen Hauch von Triumph zur Schau tragendes Lächeln seine blutleeren Lippen.
Ihr Widerstand, geboren aus ihrem Misstrauen, schien für den heutigen Abend gebrochen, doch Lionel gab sich nicht der Illusion hin, dass dieses von ihrer Seite aus entgegengebrachte Vertrauen sich sonderlich tief in ihr verankern würde. Doch er war schon dankbar dafür, dass es heute Abend kein Problem mehr für sie zu sein schien, mit einem ihr kaum Bekannten in einem der teuersten Restaurants der Stadt zu sitzen und sich zu unterhalten. Denn nicht nur seine Einladung hatte sie angenommen, sondern auch ihre Scheu in der Konversation abgelegt, was das Gespräch wesentlich erleichterte.
Doch er erinnerte sich, dass auch Inna anfangs sehr viel Misstrauen gegen ihn gezeigt hatte und es ebenfalls lang gedauert hatte, bis er sich ihres bedingungslosen Vertrauens sicher gewesen war. Es war geradezu unheimlich, wie viele Charakterzüge von Mutter und Tochter, die sich nie ihrem Leben kennen gelernt hatten, übereinstimmten.
Er beobachtete, ohne ihr etwas zu antworten, wie sie erneut die Karte, dieses Mal den umfangreicheren Teil mit den Speiseangeboten, einer Musterung unterzog. Ihre braunen Augen sprangen rasch von Zeile zu Zeile, mal erstaunt, dann irritiert, dann wieder sehnsüchtig blickend. Im Geiste ordnete Lionel die Gerichte, die sich nach seiner glänzenden, übernatürlichen Erinnerung auf der Karte befanden, ihren ab und zu aufblitzenden Gesichtsausdrücken zu.
Erstaunt - das war sicherlich das Lammfilet in Zartbitterschokoladen-Minz-Sauce. Irritiert - vermutlich das südamerikanische Gericht auf der vierten Seite, dessen Namen man nicht gleich die Bestandteile des Gerichts entnehmen konnte. Sehnsüchtig - wenn Natalja die Vorliebe Innas für Desserts und Süßspeisen teilte, dann handelte es sich sicherlich um das Himbeer-Vanille-Sorbet, das eingehüllt in einem orher separat zubereiteten Teigmantel gereicht wurde und mit in Afrika gezogenen Früchten garniert war.
Ihre Entscheidung fiel jedoch recht rasch und fand, abgesehen davon, dass es sich um ein recht schlichtes Gericht handelte, Lionels Beifall.
Als der Ober verschwunden war, gab Lionel Natalja mit einem leichten Neigen seines Kopfes Antwort : "In der Tat, Mademoiselle, das bin ich. Ihre Wahl ist exzellent."
Dann fuhr er fort : "Doch die Karte unterbrach unsere Unterhaltung..Erzählen Sie mir doch mehr von ihrer Beziehung zu Madame Pawlowa.."
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mi Okt 08, 2008 11:58 pm

Natalja war in ihrem Inneren etwas erleichtert darüber, dass ihr Gegenüber die Wahl akzeptiert hatte. Ändern hätte sie es wohl nicht mehr können und es war auch eines der wenigen Dinge gewesen, die ihr zugesagt hatten. Es gäbe vieles, was sie gerne einmal probieren wollen würde, allerdings kannte sie sich selbst und wusste, dass sie rasch satt sein konnte.
Außerdem durfte sie sich auf keinen Fall an üppigere Speisen gewöhnen, sonst hätte sie es in der nächsten Zukunft schwerer, sobald sie keine Einladungen mehr hatte. Also war eine Suppe höchstwahrscheinlich das Beste für sie in diesem Fall.
Es dauerte nicht lange und sie fühlte sich ein weiteres Mal in Bedrängnis.
Gut, Monsieur de Cherzny-Dinan kannte Adrienne selbst und sie würde über keine Fremde reden. Jedoch war ihr immer noch nicht klar, wie die Beziehung zwischen den Beiden gewesen war.
Was also konnte sie darüber erzählen und was nicht? Noch dazu müsste sie dabei etwas über sich selbst preis geben, was ihr ebenfalls Unbehagen bereitete.
Andererseits... sie sollte nur von ihrem Verhältnis zu der älteren Frau sprechen, nicht mehr!
Obwohl, wenn sie jetzt anfing, würde er dann nicht nachhaken? Immerhin hatte sie sich ebenfalls neugierig gezeigt, da würde es sie nicht wundern, sollte er es ihr gleich tun. Um ein wenig Zeit zu gewinnen, nippte sie erneut an ihrem Tee.
Aber sie musste aufpassen, denn sonderlich viel war nicht mehr in der Tasse und sie wollte wenigstens einen Schluck noch haben, sobald sie mit ihrer Suppe fertig war. Darum hielt sie sich zurück und versuchte, ein Seufzen zu unterdrücken, als sie das Geschirr zurück auf den Unterteller stellte.
Jetzt musste eine rasche Entscheidung her, wie sie antwortete.
Schließlich entschied sie sich für die Wahrheit und gab sich innerlich einen starken Ruck.
Wieso sollte sie das auch verheimlichen? Sie verdankte ihrem Gegenüber eine Mahlzeit zusätzlich, da konnte sie ihm mit soviel Offenheit wie möglich begegnen.
Außerdem hatte sie noch nie gerne gelogen und wenn es ihr zu weit ging, musste sie ja nicht mehr antworten. Die Tänzerin hoffte, er würde das dann auch verstehen.
Bei dem Gedanken an die Antwort stahl sich ein feines Lächeln auf ihre Lippen. "Adrienne ist meine Mutter."
In Gedanken schalt sie sich selbst, dass sie nicht die volle Wahrheit trotz allem hatte aussprechen können. Doch eigentlich stimmte es schon, sie hatte die andere immer als ihre Mutter angesehen und sich noch nicht daran gewöhnt, dass sie mit ihr nicht blutsverwandt war. Trotzdem, es würde auch Fragen vermeiden.
Das Lächeln wurde sicherer, als sie weiter sprach:"Wir haben uns immer sehr gut verstanden und ich bin froh, sie zu haben." Das war nun allerdings genug.
Selbstverständlich hätte sie ihm umfassender Antworten können, jedoch hatte sie das Gefühl, dass dies zuviel wäre. Es könnte jemand Fremdes wie ihn langweilen und sie wollte nicht zu viel von sich selbst verraten.
Aus welchem Grunde auch? Irgendwann einmal, wenn sie sich länger kennen würden, könnte sie darüber nachdenken, ihm mehr darüber zu erzählen, aber für jetzt reichte es aus.
Auf die Idee, dass Monsieur de Cherzny-Dinan damals höchstwahrscheinlich nichts von einer Schwangerschaft mitbekommen hatte und sich deswegen etwas wundern würde, kam sie gar nicht. Wie auch? Sie wusste ja nicht genau, wann er Moskau wieder verlassen hatte und es war gut möglich, dass selbst bei ihrer leiblichen Mutter zu dem Zeitpunkt noch nichts anzusehen gewesen war.
So fühlte sich Natalja sicher mit ihrer Aussage.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Do Okt 09, 2008 8:20 pm

Er merkte, dass sie zögerte, seine Frage zu beantworten und seine These, dass sich ihr Misstrauen nicht mir nichts, dir nichts aufgelöst hatte, wurde dadurch bestätigt. Doch mit einem freien Herausplaudern aller Informationen über ihre Beziehung zu Adrienne hatte er gar nicht gerechnet.
Er wusste nicht, was und wie viel Adrienne seiner Tochter über ihre Herkunft erzählt hatte. Wusste Natalja etwas über Inna? Über ihn?
Letzteres war angesichts ihres Verhaltens eher unwahrscheinlich, denn ihr Misstrauen hätte andernfalls schon längst die Alarmglocken schrillen lassen, da war er sich sicher. Doch wusste Natalja etwas über das Leben ihrer leiblichen Mutter? Über das Leben der Frau, die sie geboren und dafür mit ihrem Leben bezahlt hatte?
Seine Gedankengänge, die schon drohten sich wieder in allerlei Richtungen zu verzweigen, wurden durch ihre Antwort unterbrochen.
Über die Jahre hinweg hatte Lionel seine Selbstbeherrschung, wie bereits erwähnt, immer weiter perfektioniert und sie stets harten Belastung ausgesetzt. Mal war es der Hunger, ein anderes Mal die Verzweiflung, der er sich widersetzte und bisher hatte seine Kontrolle über sein Selbst nur in seltensten Fällen gewankt. Gebrochen war sie nie.
Doch einem so heftigen Beschuss war die Mauer, die er um seine tiefsten Emotionen gezogen hatte, sorgfältig pflegte und die noch nie gefallen war, noch niemals ausgesetzt gewesen.
Jedes Wort schien einzuschlagen, durch die harten Steine zu gehen und direkt in seinem Innersten einzuschlagen und doch hielt die Wand.
Sie hielt und gab nicht nach.
In seinem Gesicht war nicht die geringste Veränderung festzustellen. Ein freundlicher, aufrichtiger und leicht distanzierter Ausdruck.
Doch es kostete ihn unheimliche Mühen, diesen aufrecht zu erhalten und sich auch sonst nichts anmerken zu lassen.
Nataljas Worten nach hatte Adrienne sie in dem Glauben aufgezogen, ihre Mutter zu sein. Hatte sie ihr wirklich alles verschwiegen? Die Wahrheit über ihre Eltern? Ihre Mutter?! Hatte Adrienne wirklich das Kind von Inna, ihrer besten und damals einzigen Freundin in dem Glauben heranwachsen lassen, es sei ihre eigene Tochter?
Lionel erschien dieser Gedanke unter Betrachtung der gemeinsamen Vergangenheit geradzu lachhaft und dies weckte in ihm wiederum die Hoffnung, Adrienne könnte Natalja doch zumindest mitgeteilt haben, dass sie einer anderen Liebe als Adriennes entsprungen war und Natalja hatte es nur für besser befunden, ihm dies nicht zu sagen.
Denn Lionel erinnerte sich sehr gut an Adriennes damaligen Umgang mit Männern aller Art und die Wahrscheinlichkeit, in diesen Zeiten zu einem Kind zu kommen war gegen Null gegangen.
Er stärkte die Mauern um seine Gefühle mit der Hoffnung auf die Unaufrichtigkeit seiner Tochter.
Die andere Möglichkeit war zu schrecklich, zu unglaublich, als das er sich im Moment damit beschäftigen konnte und wollte.
"Wie schön.", erwiderte er und war für einen winzigen Moment selbst erstaunt, wie gelassen seine Stimme klang.
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Beitrag  Natalja Nikolajewna So Okt 12, 2008 2:03 am

Die Stimme ihres Gegenübers hörte sie genauso an wie während des gesamten Gesprächs. Und trotzdem ließen die beiden Worte sie innerlich stutzen.
Was war denn jetzt? Irrte sie sich oder war er... beleidigt, gekränkt, verletzt? Irgend so etwas in der Art musste es sein, dass sagte ihr der Instinkt.
Viel zu kurz war er angebunden gewesen, ohne jede weitere Neugier, das war einfach seltsam.
Jedoch hatte sie ein Recht darauf, nach zu haken? Eigentlich nicht, wenn sie es von ihrem Status her betrachtete.
Auf der anderen Seite wusste sie nicht, was sie falsch gemacht haben könnte. Er hatte sie etwas gefragt und sie hatte ihm darauf geantwortet, nicht ganz die Wahrheit, aber das konnte er nicht wissen.
Oder könnte es sein...?
Innerlich schüttelte sie den Kopf.
Nein, niemals! Adrienne hatten ihren Gatten geliebt und hätte niemals einen anderen Mann angesehen. Aber andererseits...
Dass Natalja die Suppe gebracht wurde, lenkte sie für kurze Zeit von ihren Gedanken ab.
Sie versuchte, dem Ober ein Lächeln zu schenken, als er die Schüssel mit Unterteller vor sie hinstellte. Auch nickte sie ihm höflich zu, als er sich wieder zurück zog.
Noch immer schweigsam griff sie nach dem Löffel und tauchte ihn in die cremige, rötliche Flüssigkeit.
Ein wenig rührte sie um und wollte vorsichtig probieren, denn sie war eventuell noch heiß. Doch ihre Überlegungen wollten ihr keine Ruhe lassen, nahmen ihr sogar ein wenig den Appetit.
Inzwischen hatte sie die Möglichkeit, dass Adrienne mit Monsieur de Cherzny-Dinan eine Liason hatte haben können, als unsinnig abgetan. Nein, das hätte nicht der Art ihrer Ziehmutter entsprochen, nie und nimmer!
Dennoch wollte sie wissen, warum er auf einmal einsilbig geworden war.
Überraschend ruhig und frei von jeder Schüchternheit sah sie ihn an und fragte direkt:"Habe ich etwas gesagt, dass Ihr Missfallen erregte, Monsieur?" Sie wollte sich nicht länger in Vermutungen stürzen, die sie höchstens verwirren konnten.
Diesmal hatte sie den Standesunterschied bewusst missachtet, auch wenn sie es unter anderen Umständen womöglich gelassen hätte.
Allerdings sah sie es in dieser Situation als ihr Recht an, die Wahrheit zu erfahren.
Außerdem wollte sie nicht, dass sich der Abend in eine andere Richtung als bisher entwickeln konnte. Das hätte sie lediglich bedauert, anstatt sich mit Freuden daran zu erinnern. Wobei sie nicht an weitere Treffen dachte, sondern einfach auf den Moment bezogen.
Es war stets schade, wenn sich eine Missstimmung entwickeln konnte, nur, weil jemand die Worte des Gesprächspartners falsch auffasste.
Die Suppe war derzeit vergessen, denn die Tänzerin blickte dem Mann auf der anderen Seite des Tisches musternd ins Gesicht.
Sie hoffte, er würde ihr eine gute Erklärung geben und sie nicht mit Ausflüchten abspeisen.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Mi Okt 15, 2008 11:19 pm

Lionel war, angesichts seiner Schlussfolgerung, dass Adrienne Natalja unmöglich gesagt haben konnte, sie sei ihre Mutter, wieder gelassener geworden und schalt sich selbst für seine Impulsivität.
Ihre Worte hatten ihn unvorbereitet getroffen und ein schreckliches Szenario in ihm herausbeschworen, doch genauerer Betrachtung konnte dieses Szenario nicht standhalten.
Adrienne würde, so unsympathisch sie Lionel auch geworden war und so sehr sich zwischen den beiden die Ablehnung aufbaute, nicht einmal um ihn bewusst zu treffen, das Andenken ihrer besten Freundin derart in den Schmutz ziehen. Denn Adrienne war immer, ausnahmslos immer ehrlich gegenüber Inna gewesen und Lionel glaubte nicht an einen plötzlichen Sinneswandel.
Darauf verließ er sich und weniger auf Adriennes anständige Gefühle ihm gegenüber oder der puren Unmöglichkeit einer Mutterschaft ihrerseits, was Natalja allerdings nicht wissen konnte.
Doch er baute in diesem Fall auf die Unaufrichtigkeit seiner Tochter.
Mit der Alternative einer ehrlichen Aussage von Seiten Nataljas wollte er sich nicht beschäftigen, sie bestand nicht oder nur zu einem verschwindend geringen Prozentsatz, der außer Acht gelassen werden konnte. Es konnte nicht sein.
Seine Hände, die über die letzen Augenblicke hinweg wie zu Stein erstarrt in ihrer Position in Form einer Art Kreuzrippengewölbe verharrt hatten, entspannten sich wieder, lösten sich und seine Fingerspitzen strichen leicht über das mit Seide durchwirkte, aus diesem Grund leicht schimmernde Tischtuch.
Er beobachtete, wie sie den Löffel in die zweifellos exquisite Suppe tauchte und ein wenig darin herumrührte. Wieder wirkte sie ein wenig zögernd, unsicher.
Vielleicht hätte er sich zu mehr als zwei Worten durchringen sollen..doch Lionel war sich sicher gewesen, das sie genügen würden, um den Eindruck der Gelassenheit und etwas Gleichgültigkeit aufrecht zu erhalten.
Doch ihm war dabei entgangen, dass seiner Tochter der Mangel an Interesse an der Gefühlswelt anderer, der den meisten Personen, mit denen Lionel Kontakt pflegte, zu eigen war, abging und sie sich somit dafür interessieren könnte, wie er auf ihre Eröffnung reagierte.
Ihre Worte bestätigten das.
Der Blick seiner dunkelblauen, mit einem leichten schwarzgrau durchsetzten Augen richtete sich wieder auf ihr Gesicht, während sein Geist nach einer passenden Antwort suchte.
"Keinesfalls mein Missfallen, Mademoiselle Nikolajewna, ich würde es eher Überraschung nennen.", meinte er und es gelang ihm sogar, erneut ein kleines Lächeln auf seine Lippen zu bringen.
Diese Aussage entsprach sogar komplett der Wahrheit, eine Tatsache, die angesichts dessen, dass er sich mit seiner Tochter, die nicht einmal wusste, dass sie ihren Vater vor sich hatte, unterhielt, durchaus bemerkenswert war.
Er schwieg für einen kurzen Moment, dann fuhr er fort : "Ich wusste nicht, dass Adrienne Mutter geworden ist."
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Beitrag  Natalja Nikolajewna Mi Okt 15, 2008 11:52 pm

Seine Worte beruhigten sie auf der einen Seite, zumindest soweit, dass sie sich entspannen und auf ihre Suppe konzentrieren konnte. Vorsichtig probierte sie und stellte fest, dass sie zwar nicht ganz nach ihrem Geschmack, aber dennoch bekömmlich war.
Indes schweiften ihre Gedanken trotz allem wieder ab.
Gut, scheinbar schien er sich nicht daran zu stoßen, dass er wohl kaum eine Schwangerschaft bei ihrer Ziehmutter mitbekommen hatte. Jedoch wusste sie auch nicht, wann er Moskau und vor allem auch Russland verlassen hatte.
Allerdings beschlich sie das Gefühl, dass sich Monsieur de Cherzny-Dinan und Adrienne womöglich nicht völlig grün gewesen waren.
Oder wieso sonst wirkte er, als hätte er nichts von alle dem gewusst? Wären sie gute Freunde gewesen, hätte ihre Ziehmutter ihm bestimmt geschrieben, egal, ob Natalja nun das leibliche Kind war oder nicht.
Ob sie sich doch zerstritten hatten? Vielleicht aufgrund zu tief gehender Empfindungen?
Einen anderen Grund konnte sie sich nicht vorstellen, denn Adrienne war kein Mensch, der nicht zu verzeihen wusste. Es sei denn, es trat ihr ein Mann zu nahe, da wusste die Tänzerin nicht vollständig, wie die andere reagiert hätte. Schätzte sie trotzdem so ein, dass sie ihrem Gatten treu geblieben wäre, was sie ja selbst nach seinem Tod vor ungefähr 18 Jahren so hält.
Aber das Thema wurde ihr langsam unangenehm, es war etwas zu privat. Darum versuchte sie, es in eine andere Richtung zu lenken.
Um sich ihre Gedanken nicht anmerken zu lassen, bemühte sie sich um ein Lächeln, als sie zu ihrem Gegenüber aufblickte. "Die Suppe schmeckt sehr gut, Monsieur. Eventuell sollten sie sich doch umentschieden und ebenfalls eine Kleinigkeit bestellen. Ich bin mir sicher, es würde ihnen munden."
Das war nicht ganz die Wahrheit was ihren Geschmack sowie die Sicherheit betraf, allerdings zumindest so nahe daran, um für nicht gelogen gehalten zu werden.
Gemächlich löffelte sie die warme, cremige Flüssigkeit und konnte deutlich spüren, wie sich in ihrem Bauch ein wohliges Gefühl ausbreitete.
Etwas, das sie schon sehr lange hatte entbehren müssen, denn seit sie sich alleine in Paris aufhielt, bestand ihr Essen größtenteils aus einfachen, günstigen Gebäckstücken. Da war eine Suppe wie an diesem Abend eine Besonderheit, die sie auch zu schätzen wusste.
Innerlich war sie Monsieur de Cherzny-Dinan dankbar dafür, dass er sie zu einer Bestellung gedrängt hatte. Sonst hätte sie wohl noch lange auf eine derartige Gelegenheit warten müssen.
Jedoch nahm sie sich auch fest vor, so etwas nicht zur Gewohnheit werden zu lassen. Ihr Körper würde diesen Luxus vermissen, sobald sie wieder auf sich selbst gestellt war.
Also wollte sie genießen mit dem Vorsatz, sich in Zukunft nicht daran mit einem Sehnen zu erinnern.
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Beitrag  Lionel de Cherzny-Dinan Do Okt 16, 2008 3:59 pm

"Danke, Mademoiselle, doch ich bin bereits hinreichend gesättigt..", erwiderte er höflich und wandte dann kurz seine Aufmerksamkeit den Streichern zu.
Das Streichquartett, das sich bisher auf dem kleinen Podest in der Mitte des großen Raumes befunden und die Gäste vorhin mit dem Walzer erfreut hatte, ließ nun die letzen Takte eines Stückes von einem russischen Komponisten, Anton Stephanowitsch Arenski, verklingen. Lionel begrüßte dies, denn das Stück entsprach nicht ganz dem, was er sich zur Untermalung eines abendlichen Dinnés vorstellte. Die Schwere, manchmal leicht verwirrend klingende Musik, die leicht durchklingende Tragik schien ihm ein wenig unangemessen zum Essen, doch zu seiner momentanen Gefühlslage passte das Stück bei genauerer Betrachtung recht gut.
Düster, schwer wie die gerade verklungenen Töne; viele Jahre seines Lebens waren bestimmt gewesen von Schmerz, niederdrückender Trauer. Besonders jene nach Marys und später auch Innas Tod. Die Verzweiflung, die Fassungslosigkeit und auch ein Stück weit die Wut nach diesen beiden tragischen Ereignissen hatte nicht das gnädige Vergessen, das ihm seit seinem Dasein als Vampir generell nicht mehr vergönnt war, ereilt. All die Erinnerungen und die Gefühle standen ihm noch klar und deutlich vor Augen, als würden sie nur auf ein kleines Signal warten, um wieder in Aktion zu treten.
Über Antoinettes Verscheiden hatte sich mit der Zeit, als sein Herz noch schlug, schon ein leichter Schleier gelegt, seine Erinnerungen, die seit dem Treffen mit Jade nicht mehr weiter verblasst waren, waren abschnittsweise bruchstückhaft. Auch an Marys Tod selbst konnte er sich nicht minutiös erinnern, doch was diesen Schmerz so greifbar machte, war damals der Verlust nicht nur seiner Frau, sondern auch seiner Kinder gewesen.
James - schwarzhaarig wie sein Vater, doch mit Marys grünen Augen und die Mädchen, Catherina - stets gut gelaunt und singend, die rothaarigen Zwillinge Kelley und Rose. Seine Kinder, deren Leben und die Spuren ihres Lebens bei dem riesigen Brand restlos vernichtet worden waren.
Doch Vergessen war hier nur in Sachen Ereignisse vergönnt, Marys letze Tage konnte er nicht mehr genau rekonstuieren. Die Gefühle, den Schmerz hingegen hatte er nicht vergessen können, zu kurz nach dieser Tragödie hatte er Jade getroffen. Diesen Schmerz hatte er mitgenommen in sein Leben in der Nacht, wo er ihn nie wieder verlassen wird.
Die Verzweiflung nach Innas Tod war dem Drama um Mary relativ gleichzusetzen.
Eine weitere Liebe verloren, diesmal kein einziges vergessenes Detail, doch im Gegenzug dafür ein Kind. Natalja.
In ihm tauchte die Frage auf, ob eines seiner anderen Kinder, hätten sie je das Erwachsenenalter erreicht, Natalja wohl gleichen würde. Vielleicht Francoise, wobei deren Haar vermutlich ein wenig mehr ins Kuperfarbene gehen würde, ihre Gesichtszüge weniger klar, mehr verspielt wären und sie sicherlich nicht Nataljas Zurückhaltung haben würden - doch was quälte er sich mit diesen Überlegungen? Francoise war tot, lange schon, sehr lange, ihr kleiner Körper war von der rauhen, britischen See verschlugen worden und sicherlich war mittlerweile nichts mehr von ihm übrig.
Angesichts der schrecklichen Tragik in seinem Leben passte das Stück wohl ganz gut zu diesem.
Doch seine Begegnung mit Natalja sollte nicht von Trauer, den Geistern der Vergangenheit behaftet sein.
Aus diesem Grund war er froh, als das Streichquartett sich unter dem höflichen Applaus des speisenden Publikums zurückzog und den Blick auf einen Flügel, der bisher hinter den Streichern verborgen gewesen war, freigab. Im Licht der auf den Tischen stehenden Kerzen schimmerte das gewaltige Instrument, das viel zu wuchtig für seine schlanken Beine wirkte, lackschwarz.
Leises Gemurmel machte sich hier und da breit, als zwei Ober den Flügel aufklappten und so für manche Besucher den Blick auf das Innenleben des Instrumentes freigaben.
Nachdem sie sich wieder zurückgezogen hatten, erschien ein weiterer Mann.
Den kurzen Worten, mit denen er die zu ihm aufblickenden Pariser begrüßte, ließen den Schluss zu, dass er aus Russland, vermutlich aus der Gegend um St. Petersburg kam. Sergej Rachmaninoff, so stellte er sich vor, ein Schüler des Moskauer Konservatoriums, der mit seinem Lehrmeister einen kurzen Aufenthalt in Paris verbrachte und die edlen Herrschaften mit einem Klavierkonzert von Chopin erfreuten wollte.
Erneut ertönte beifälliges Klatschen, als sich der junge Mann zu dem schwarzen Flügel begab und auf dem Hocker Platz nahm.
Daraufhin verstummten die Gespräche größtenteils, nur hier und da war das Klappern einer Gabel oder eines Löffels zu hören.
Sanft, liebevoll setzte der junge Russe die außergewöhnlich langfingrigen Hände auf die Elfenbeintasten des Flügels und schloss die Augen. Dann begann er zu spielen.
Schon nach wenigen erkligenden Tönen erkannte Lionel das Stück.
Chopin, die "Fantasie" Impromptu.
Das Lächeln eines Kenners zeigte sich um seine Lippen, als die Musik den Raum erfüllte.
Sie glich einem Frühlingsstrauß bunter Blumen oder eher den springenden Wellen eines Gebirgsbaches, kurz aufbrausend, dann wieder ganz zart.
Vollkommen lautlos nun lauschte das faszinierte Publikum dem talentierten Pianisten.
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